Urs Joseph Flury

Der am 25. August 1941 geborene Sohn des Solothurner Spätromantikers Richard Flury empfing erste musikalische Eindrücke in seinem Elternhaus. Nach der Maturität absolvierte er das Violindiplom bei Walter Kägi am Konservatorium Biel. Von 1961 bis 1967 war er Primgeiger des Flury-Quartetts. Universitätsstudien in Philosophie, Kunstgeschichte und Musikwissenschaft betrieb er erst in Bern und dann in Basel, wo er 1965 bis 1968 die Meisterklasse von Hansheinz Schneeberger besuchte und Mitglied des Basler Kammerorchesters war. Nach abgeschlossenem Studium war Urs Joseph Flury während einiger Jahre Violinlehrer an den Stadtschulen Solothurn sowie Theorielehrer am Konservatorium Biel und wirkte danach wiederum als Violinlehrer an der Kantonsschule Solothurn. Seit über 30 Jahren leitet Urs Joseph Flury auch das Solothurner Kammerorchester und das Orchestre du Foyer in Moutier. Er erhielt 1993 den Musikpreis des Kantons Solothurn.

Das kompositorische Schaffen von Urs Joseph Flury steht in neuromantisch-impressionistischer Tradition, bewegt sich aber in einer eigenen Tonsprache. Es umfasst neben Kammermusik- und Orchesterwerken auch Instrumentalkonzerte, Lieder und Chorwerke. Daneben bemüht sich Urs Joseph Flury intensiv um die Bearbeitung und Rekonstruktion wenig bekannter Kostbarkeiten und Raritäten aus vergangener Zeit: So hat er Kompositionen des Philosophen Jean-Jacques Rousseau, des genialen Clowns und Musikers Adrian Wettach (Grock), des österreichischen Dramatikers Arthur Schnitzler und vieler anderer zur Aufführung gebracht.

Werkverzeichnis (Auswahl)

Kammermusik: Fantasie und Sonate für Violine solo, 2 Suiten für Violine und Klavier, Variationen für Klaviertrio, Sonate und Variationen für Violine und Orgel, Suite und Variationen für Violine und Viola, Oboenquartett, Bläserquintett.
Orchesterwerke: 3 Suiten, Concerto di carnevale, «Die kleine Meerjungfrau» (Musikalisches Märchen nach H.C.Andersen), Fantasien über Weihnachtslieder für Orgel und Orchester, Vineta (Sinfonische Dichtung).
Instrumentalkonzerte: Violinkonzert in D, Concertino veneziano für Violine und Orchester, Cellokonzert.
Vokalwerke: Lieder (auf Texte von Olga Brand, U.Tesche u.a.), «Soledurner Wiehnechtsoratorium», 3 Messen, Salve regina.

Weitere Angaben zu Biographie und Werk von Urs Joseph Flury sowie eine ausführliche Diskographie finden sich im Internet unter www.urs-joseph-flury.ch und in der Broschüre «Urs Joseph Flury – Biographische Notizen und Werkverzeichnis» (ISBN 3-9522088-0-9, im Buchhandel erhältlich).

Erläuterungen des Komponisten zu seinen Kammermusikwerken

6 Romantische Lieder (komp. 1997/98)

Schon als Knabe habe ich etliche Gedichte der mit meinen Eltern befreundeten Solothurner Lyrikerin Olga Brand (1905 – 1973) vertont. Die 6 Romantischen Lieder schrieb ich nach 9-jährigem Unterbruch meiner kompositorischen Tätigkeit, der durch ein langjähriges Mobbing an meinem seinerzeitigen Arbeitsplatz bedingt war. Als ich ihn 1997 verliess, erinnerte ich mich daran, dass Olga Brand dort schon viele Jahre zuvor meinen eigenen Erfahrungen Vergleichbares erlebt hatte, was mich von neuem zur Vertonung ihrer Gedichte veranlasste.
Die von mir getroffene Auswahl stellt – in poetischer und konzentrierter Form – eine kleine Autobiographie der Dichterin dar:
Im Gedicht «Sonneck« erinnert sie sich an ihre glückliche Jugendzeit, die sie in der schwalbenumschwungenen, elterlichen Villa verbracht hatte. Als «Kind der Nacht« entflieht sie später immer wieder der Realität des Alltags und rettet sich mit unerschöpflicher Fantasie in ihre eigene Traumwelt. (Bezeichnenderweise lautete das Thema ihrer Dissertation auch «Traum und Wirklichkeit bei Hugo v. Hofmannsthal«.) Im Gedicht «Flucht» beschreibt die Dichterin ihr rastloses Leben. Als Mittelschullehrerin durfte sie überall nur Stellvertretungen übernehmen und fand zeitlebens keine feste Anstellung. Von Ort zu Ort bis in die entlegenste Gemeinde gehetzt, waren ihr jeweils zur Erholung nur kurze Besuche in ihrem Heim oder am geliebten Vierwaldstättersee vergönnt. «Rosegg» bezieht sich auf eine so benannte psychiatrische Klinik, in der Olga Brand nach einem vermeintlichen Suizidversuch gegen ihren Willen monatelang festgehalten wurde. Dort schrieb die Lyrikerin, in einem Zustand, der kaum mehr Hoffnung verhiess, schönste ihrer Gedichte, doch ihre Widerstandskraft war gebrochen («Meine Rosen sind schwarz wie die dunkelste Nacht, meine Sterne verschwunden und meine Freuden – wie Wunden.»). Im Gedicht «Goldner Trost» sucht die Dichterin nach ihren menschlichen Enttäuschungen Zuflucht bei ihrer über alles geliebten Katze. Bei dieser «unverdorbnen Kreatur» findet sie «Trost im Weltenwinter» und «eine goldne Sonnenspur».  Das letzte Gedicht «Vor einer Rosenknospe» bringt gleich zu Beginn  eine philosophische Erkenntnis: «Immer ist das Erwarten schöner als die Erfüllung». Kaum dass die Rose zu blühen beginnt, verwelken ihre Blätter wieder. Vergleichbar ihren Lebenserfahrungen, musste sich Olga Brand stets nur mit der Aussicht auf einen beruflichen Erfolg oder eine grosse Liebesbeziehung begnügen, die sich aber nie wirklich erfüllten.


Olga Brand zum 100. Geburtstag